Wie entstehen psychische Probleme?

Warum produziert dieses hochentwickelte menschliche Gehirn, die komplizierteste bekannte Materie, die technologisch zu enormen Leistungen fähig ist und geistigen wie materiellen Reichtum zu schaffen vermag, diese vielfältigen psychischen Probleme? Warum können wir nicht glücklich leben und uns an die jeweils gegebenen Umstände optimal anpassen? Warum machen wir uns psychisch abhängig, manchmal sogar Jahre lang? (Beachte: Hier ist von psychischer Abhängigkeit die Rede, nicht von der finanziellen oder materiellen Abhängigkeit. Das ist ein anderes Problem, auch wenn oft die psychische und die finanzielle Abhängigkeit vermischt werden.)

Die positiven Gefühle sagen: Im Moment ist alles ok. Verständlicherweise wollen wir darin nicht durch negative Gefühle gestört werden. Deshalb bekämpfen wir unsere negativen Gefühle oder ignorieren und verdrängen sie, solange es uns möglich ist. Es ist nicht im Bewusstsein oder wird nicht ernst genommen, dass unsere negativen Gefühle die entscheidenden Mechanismen zur Korrektur unseres Denkens und Handelns für eine optimale Anpassung und damit für ein glückliches Leben sind. Wir benötigen sie genauso wie die Schmerzen, die auf Störungen der körperlichen Funktionen aufmerksam machen. Die negativen Gefühle schreien: „Hör auf, so weiter zu denken und zu leben. Du musst etwas korrigieren.“ Sie zeigen auch sehr klar auf, wenn wir von anderen Menschen schlecht behandelt werden und wir die passende Antwort nicht gefunden haben. Negative Gefühle zeigen sich auch indirekt durch psychosomatische Beschwerden und mitmenschliche Konflikte.

Wir haben Angst vor unseren Gefühlen und ihren Begleiterscheinungen. Uns wurde beigebracht, dass wir unsere Gefühle gefälligst unter Kontrolle zu halten haben. So versuchen wir, sie durch Denken, Konzepte und Theorien zu steuern. Und wenn unsere Gefühle uns Feindseligkeiten von anderen Menschen anzeigen, bagatellisieren wir diese womöglich. Diese Flucht vor der Realität gelingt nicht auf Dauer, sondern erzeugt irgendwann unsere Probleme. So wie unser Körper krank wird, wenn wir auf seine Signale nicht achten. Wie kommt das, dass dieses ansonsten so perfekte Gehirn und Nervensystem vor sich selbst Angst hat?

Schon sehr früh wurde uns beigebracht, dass wir unseren eigenen Gefühlen und Empfindungen nicht vertrauen dürfen. Damit wir funktionieren, wie es die Eltern, die Lehrer, die Kirche, wie es die ganze Erwachsenenwelt von den Kindern verlangt, muss zuallererst unser eigener Orientierungsapparat, das Fühlen und Empfinden, verunsichert, gestört, möglichst zerschlagen werden. Wir alle haben dies erlebt, wenn auch auf unterschiedliche Weise: durch Prügel und Schläge, durch Herabsetzen und Entwürdigen, durch Angst und Schuldgefühle, und auch durch Bestechung und manipulatives Loben und Belohnen.

Wenn jemand uns anders haben will, als wir empfinden, dann spüren wir dies als Konflikt mit dieser Person. Wenn wir die Ursache des Konflikts nicht durchschauen, weil wir beispielsweise als Kinder zu klein dazu sind, dann wird der äußere Konflikt zu einem inneren Konflikt. Unser Gehirn sammelt diese nicht geklärten Konflikte an, um sie irgendwann später hoffentlich lösen zu können. Wenn die Erinnerung daran hochkommt, tun diese Konflikte heute noch so weh wie damals, als sie entstanden sind. Dadurch können wir heute genauso wie damals als Kinder verängstigt, ausgenutzt und manipuliert werden – solange wir dies nicht durchschauen und uns davon befreien.

Warum beenden wir das nicht und vertrauen ab sofort unseren Gefühlen und Empfindungen? Es wurde nicht nur das Vertrauen zu uns selbst beschädigt, sondern uns wurde auch immer wieder eine Riesenangst davor gemacht, auf unsere Gefühle zu achten. Die meisten Religionen sagen, dass wir im Kern schlecht oder zumindest unfähig und ohne Gott verloren sind. Pädagogen sagen, dass die Kinder erzogen und begrenzt werden müssen, weil sie sonst nicht richtig funktionieren. Psychologen sagen, dass in unserem Innenleben solche Gefahren lauern, dass man mit Hilfe eines Psychospezialisten damit fertig werden kann. Die Psychopharmakaindustrie sagt: Du hast eine chemische Störung im Gehirn. Nimm unsere Pillen, dann funktionierst du wieder und musst dich nicht quälen. Die Werbung sagt: Geh shoppen, das lenkt ab usw. usw. Im Kern ist das alles derselbe Mechanismus: Du darfst dir selbst nicht trauen, du sollst den Versprechungen  und Drohungen anderer folgen. Nur so können sie dich weiter für ihre Interessen benutzen.

So wurden und werden wir erzogen, uns als getrennt von uns selbst zu sehen, um besser für andere zu funktionieren. Das erzeugt psychische Probleme und Abhängigkeiten ohne Ende.

Denn unser Gehirn ist für unsere persönliche optimale Anpassung an das Leben da. Es arbeitet auf der Basis der beiden grundlegenden Tatsachen: Alles existiert nur im Jetzt. Wir sollen aber an dem Alten, an der Tradition festhalten und in Sorgen um Morgen ersticken, damit wir bloß nicht begreifen, was jetzt gerade mit uns geschieht. Alles ist miteinander verbunden. Wir sollen glauben, dass zwischen uns und den anderen immer ein Zwiespalt besteht, damit wir nicht auf die Idee kommen, dass es eine Art zu leben gibt, die allen gut tun. Solange wir uns diesen unaufhörlichen Einflüsterungen und Drohungen unterwerfen, sind wir verwirrt. Aber unser Gehirn sagt uns auch, wie wir aus der Verwirrung herauskommen, nämlich indem wir endlich uns selbst, und alles, was in uns ist, vor allem auch unsere negativen Gefühle, wahrnehmen und ernst nehmen. So lernen wir uns selbst und die Welt in der Gegenwärtigkeit und Verbundenheit realistisch wahrzunehmen.

Unsere Psyche hat zwei Grundbedürfnisse:

  1. Wir wollen in uns selbst Ordnung schaffen, damit es uns gut geht. In einer guten Psychotherapie werden Sie darin unterstützt und es werden Ihnen hilfreiche Anregungen gegeben. Einige Hinweise finden Sie auch auf meiner Website.

  2. Wir wollen gute Beziehungen mit anderen Menschen haben, weil wir in guten Beziehungen glücklich sind. Wenn wir selbst verwirrt sind, können wir auch unsere Beziehungen nicht gut gestalten. Auch dies kann in der Therapie bearbeitet werden. Aber Beziehungen mit innerer Freiheit in der Realität  zu leben, ist nicht so einfach. Wir können mit unseren Einsichten an Grenzen stoßen, die wir nur zusammen mit anderen überschreiten können. Anregungen dafür finden Sie unter „Andersleben“

Diese Zusammenhänge sind in meinem Buch "Es lauscht am Stein der Weisen - Raus aus dem Gefängnis von Psyche und Gesellschaft" ausführlich und nachvollziehbar dargestellt. In meinen Infobriefen vertiefe ich diese Zusammenhänge an konkreten Beispielen.

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